Montag, 28. September 2009

Saigon

Gähnende Leere auf den Straßen, den Bahnsteigen und im Zug - Deutschland präsentiert sich trotz fantastischer Beleuchtung durch eine rote Herbstsonne und frischer Luft so wie wir es vor zwei Monaten verlassen haben.
Ja wir sind wieder da- Gesund aber ein bißchen müde haben wir mit deutscher Pünktlichkeit auf dem Rollfeld aufgesetzt.
Der Luftweg von Saigon nach Doha weckte bei mir Erinnerungen an die Schlaglochstraßen von Kambodscha. Südlich von Birma, geriet unser wackerer Airbus in Luftstroemungen die Hobbypiloten und Berufsflieger belanglos finden, mir aber das Abendbrot und die Stimmung vermiest haben. Nachdem die Seatbelt Zeichen wieder verloschen sind musste ich unwillkürlich an die Gefahren auf den vielen Kilometern Straße denken, die wir während unserer Reise zurückgelegt haben, und dass ich dabei keine Angst empfunden hatte. ( Gut, bei waghalsigen Überholmanövern in der Kurve, am Berg fühlte ich mich komisch.)

Das Gefühl eine Straße in Saigon zu überqueren ist nicht Angst, es ist blanke Überforderung. Saigon hat circa neun Millionen Einwohner, mindestens jeder Zweite davon besitzt ein Moped.
Der Leser dieses Blogs wird sich wundern, dass ich schon seit Beginn unserer Reise von den vielen Mopeds in den einzelnen Ländern schreibe. Zum Zeitpunkt als ich den jeweiligen Bericht verfasst hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es an einem anderen Ort der Welt noch mehr Mopeds oder gar so viele wie in Saigon geben könnte.
Die Haupstraßen der Stadt sind über die ganze Breite der Spuren mit Mopeds gefüllt. Der Verkehr ist eine DER Hauptattraktionen von Saigon. (Es gibt nicht soo viele andere hier.)
Vor allem zu Zeiten der "rush hour" bleiben viele Touristen stehen und fotografieren was sich vor ihren Augen abspielt.
Große Kreuzungen der Stadt werden per Ampel geregelt und viele Mopedfahrer halten sich vorbildlich an die gezeigte Farbe. In Zeiten der rush hour befinden sich neben der Ampel noch drei Polizisten auf der jeweiligen Kreuzung. Ein Beamter regelt die Ampelsteuerung per Hand, ein Kollege dirigiert per Handzeichen die Mopedschwärme ein Dritter agitiert wild mit Stab und Trillerpfeife querstehende Mopeds oder widerwillige Fahrer von der Kreuzung. Ein Schauspiel!
Häufig sind so viele Mopedfahrer unterwegs, dass die breiten Straßen rein physisch die vielen Vehikel gar nicht fassen kann. Kein Problem für die erfahrenen Saigoner- so wie Wasser, dass sich seinen Weg sucht bahnen sich die Mopeds kurzerhand auf dem Fussweg ihrem Ziel entgegen. Dabei wird aber keinesfalls vorsichtig gefahren, da Fußgänger naturgemäß schwächer sind müssen sie eben Platz machen.
So kam es auch, dass wir beide zum ersten Mal weit vor der Kreuzung als Fußgänger mit im Stau standen. Eingekesselt von Mopedfahrern war (auf dem Fußweg (!) ) keine Bewegung mehr möglich.

Die oben beschriebene Überforderung setzt an dem Punkt ein, wenn man eine Straße überqueren möchte und keine Ampel vorhanden ist. (Was in der Mehrheit der Fälle vorkommt.) Als Europäer wartet man brav am Straßenrand auf eine Lücke im Verkehr um schnell hindurch zu huschen. Diese Taktik ist in Vietnam sinnlos- es gibt keine Lücken im Verkehr.
Was nun? Als erfahrener Reisender schaut man einfach was die Einheimischen machen: ohne Rücksicht auf dem Verkehr über die Straße gehen.
Dieses Manöver verlangt sehr viel Disziplin: man muss mit kontinuierlichen Schritt im gleichen Winkel über die Straße gehen, damit für die Mopedfahrer ersichtlich wird zu welchen Zeitpunkt man wo auf der Straße ist und sie dementsprechend ausweichen können. Jedes Zögern oder gar ausweichen wäre fatal!
In der Praxis geht man einfach los, der Mopedschwarm teilt sich wie das Rote Meer und man kommt unbeschadet zu seinem Ziel. Gerade am Abend oder bei Regen ist so eine Überquerung immer wieder eine Herausforderung.

In Saigon ist immer Trubel. Schon früh am Morgen sind die Menschen auf den Straßen unterwegs, sitzen im Restaurant und warten auf eine Pho Bo ( DIE Nudelsuppe Vietnams aus Rind-gegessen früh, mittag, abends oder einfach nur als Snack zwischendurch) spielen Dame, füttern die Säuglinge oder schauen einfach nur wie die Touristen mit Sack und Pack durch die Straßen ziehen. Am Abend, wenn die Hitze abgeklungen ist und ein angenehmer Wind für die schönste Zeit am Tag sorgt ist wirklich jeder draußen und spielt im Park Federball oder tauscht Neuigkeiten mit Freunden aus.
Die Sehenwürdigkeiten der Stadt haben wir schnell besichtigt und als besonders schönen Ort fanden wir eine Tempel, der Mitten im Straßenlärm ein Rückzugsort der Stille war.
Geschützt von vielen Bäumen war im Tempel von der Straße nicht mehr viel zu hören, Rauch von den Räucherstäbchen lies die Sonnenstrahlen sichtbar werden und im Hof befand sich ein Becken mit zig Schildkröten in allen Größen.

Als Sehenswürdigkeit allererster Güte deklariert ist der Präsidentenpalast aus den 60´er Jahren (Reunification Palace) gebaut in der Zeit als Saigon die Hauptstadt von Südvietnam war.
In einem großen Park von 12 Hektar errichteten schon die Franzosen Ende des 19. Jahrhunderts einen wunderschönen Gouverneurspalast der aber während des ersten Indochinakrieges teilweise zerstört wurde. Präsident Ngo Dinh Diem entschied, dass der ursprüngliche Palast abgerissen werden soll(auch als Zeichen des Triumphs über die Kolonialherren) und ein neuer adäquater errichtet wird. Die Eleganz und Schönheit des alten Gebäudes wurde trotz internationaler Architekturpreise nicht erreicht und trotzdem der Präsidentenpalast mit viel Schnick-Schnack der 60´er Jahre ausgerüstet ist wirkt alles hoffnungslos veraltet.
Als am 30. April 1975 Panzer der Nordvietnamesischen Armee durch die Tore des Palastes brachen bedeutete dies den entgültigen Sieg des kommunistischen Nordens über den Süden Vietnams. Saigon wurde der programmatische Name Ho Chi Minh Stadt übergestülpt der im täglichen Gebrauch viel zu sperrig ist. Die meisten Bewohner nutzen den alten Namen der Stadt, der meiner Meinung nach viel besser für die Beschreibung dieser Metropole geeignet ist.


Mit vielen Grüßen!

Anja + Lars

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